Zu sehen war das beim Nachmittagskonzert am 26. November 2017 im Haus Eichkamp. Florian Koltun demonstriert mit einer Gestik des vollen Körpereinsatzes, das Klavierspielen eine schwere Tätigkeit ist, die aber wieder eine Leichtigkeit bei den Fingerbewegungen auf der Tastatur hervorbringen kann.
Das ist Virtuosität mit Substanz. Allein dieses optische Schauspiel hat den Konzertbesuch gelohnt. Und es kann als Kontrast zu dem modernen Image von Solostars im Musikbetrieb betrachtet werden, die vor allem schöne junge Gesichter auf Plakaten und CD-Hüllen zur Schau stellen. Koltun könnte vielleicht auch diesem Marketing-Ideal entsprechen, aber seine Klavierarbeit ist angenehm solide und braucht den Glamour nicht.
Das Konzert mit Bach, Beethoven und Brahms war mit „Triple B“ betitelt und stellte drei Größen der Musikgeschichte heraus, ohne allerdings allzu bekannte Kompositionen dieser Meister zu bringen. Als Zuhörer konnte man sich deshalb auch nicht zurücklehnen, um beliebte Ohrwürmer zu genießen. Vielmehr war konzentriertes Hören gefordert. Dies umso mehr, weil der Pianist auch als Moderator seines eigenen Konzertes fungierte. Mit kurzen Einführungen in die folgenden Stücke gab er wichtige Hinweise auf die besonderen Merkmale der Komponisten und lenkte so die Aufmerksamkeit auf die Fugenstruktur bei Bach, die orchestrale Orientierung bei Beethoven und die gesangliche Struktur bei Brahms – Hinweise auf die ausgewählten Klavierstücke. Ohne dozentenhaft zu belehren, waren dies hilfreiche Informationen des Vortragenden, der damit das folgende Hörerlebnis intensivierte. Ein Konzert also, dass ein „wissendes Hören“ ermöglichte. Die Klavierkunst von Florian Koltun beschenkte das Publikum dann aber auch mit einem wunderbaren Hörgenuss! Es gab dann noch eine Zugabe mit einem Stück von Mozart. Als Überraschungsgast kam eine asiatische Pianistin wie zufällig aus dem Publikum dazu (das war natürlich geplant), um den Solokünstler für einen vierhändigen Klavierpart zu ergänzen. Viel Freude beim Publikum, viel Applaus.
Schön war wieder einmal zu hören, wie sich das Haus Eichkamp akustisch für Kammermusik eignet. Aber gerade dieses intime Klavierkonzert (mit einem privaten Flügel aus dem Hause Flötotto) hat verdeutlicht, dass das Haus Eichkamp kein Konzertsaal, sondern ein Konzertraum ist. Man fühlt sich wie in einer überdimensionierten Zigarrenkiste, was ja gerade gut, weil jeder Ton präzise gehört wird. Es wäre interessant, einmal genauer zu bestimmen, welche Besonderheiten diesen Raum auszeichnen in Vergleich zu anderen Berliner Orten speziell für Kammermusik. Jedenfalls stellte auch der Pianist fest, dass er sich in einem sehr intimen Rahmen bewegte, was jedenfalls noch mehr Konzentration und Intensität des Musizierens und Zuhörens fordert.
Die von Eugène Mursky konzipierte Konzertreihe ist schon sehr speziell, aber sie hat ihr Publikum gefunden, wie der gut besuchte Saal zeigte. Unter den Zuhörern sicherlich viele Musikliebhaber, die die Hausmusik und das Klavierspielen pflegen. Allerdings überwiegend eine Zuhörerschaft der Generation 60plus. Und das an einem familienfreundlichen Nachmittagstermin? Vielleicht sollte neben diesem Konzertformat auch eines für Kinder und Eltern entwickelt werden. Radio Kultur des rbb macht vor, wie das geht: Sonntags von 8.04 – 9.00 Uhr wird immer eine Aufzeichnung von „Klassik für Kinder“ gesendet. Ein Mitschnitt von Veranstaltungen im Haus des Rundfunks, die immer ausverkauft sind. Gerade in Eichkamp mit seinen musikbegeisterten Nachbarn wären interessant konzipierte Kinderkonzerte eine sinnvolle Ergänzung des Programmangebots für Familien.
Ewald Schürmann
Fotos: Robert Carus
Nov 28 2017