Zart bis hart, eine Anschlagstechnik von den Fingerspitzen bis ins Handgelenk beim Spielen auf der Klaviertastatur, in dieser dynamischen Spannbreite variiert der Pianist Eugène Mursky seinen Körpereinsatz. Meisterhaft, wie er den Klang des Klaviers unter Kontrolle hält und dabei das an einem Programm demonstriert, das von Mozart über List und Mussorgsky und schließlich in einer Zugabe von Debussy alle Klangstufen der Klaviatur durchmisst. Schön, dass Mursky bei diesem Neujahrskonzert in Eichkamp die Vielfalt des Instruments erklingen ließ, während er ein Jahr davor mit der Klavierfassung der 9. Symphonie von Beethoven ein mächtiges Stück Arbeit zu leisten hatte, das schon fast sportliche Anerkennung abverlangte. Beim Konzert nun am 6. Januar 2018 wurde eine Abwechslung geboten, die sowohl verschiedene Hörerlebnisse vermittelte als auch die Virtuosität des Meisterpianisten stärker zu Geltung brachte.
Mit der C-Dur-Sonate von Mozart anzufangen, war recht geschickt gewählt, weil sich der Pianist warmspielen konnte und die relativ übersichtliche Komposition die Zuhörerschaft auf den Klavierklang einstimmte. Die Ohren waren danach wie gereinigt und konnten sich auf den weitaus aufregenderen Liszt konzentrieren. Die drei Stücke – „Soiree de Vienne“ Valse Caprice Nr. 6, Liebestraum Nr. 3 und Ungarische Rhapsodie Nr. 12 – animierten den Virtuosen dazu, bei den Fortissimospitzen schon ziemlich heftig in die Tasten zu greifen. Und begeistert vom musikalischen Zauber der lisztschen Klänge sprangen die Zuhörer am Ende der Darbietung auf, jubelten und pfiffen begeistert. Kann sein, dass dem Besitzer des Pianos aus der Eichkamper Nachbarschaft angesichts der Strapazen für sein Instrument etwas bedenklich zu Mute wurde, aber die Geste Murskys, wie er anerkennend den Flügel streichelte, zeigte doch auf beruhigende Weise, dass der Virtuose ein sicheres Gespür dafür hat, was er den Tasten und Saiten zumuten kann.
Nach der Pause gab es dann Mussorskys „Bilder einer Ausstellung“. Wie es inzwischen bei Eichkamper Konzerten üblich ist, wurde zunächst eine erläuternde Einführung geboten. Andreas Lange-Böhm stellte die einzelnen Teile der Komposition kurz und prägnant vor und Eugène Mursky spielte dazu die entsprechenden Melodiemotive an. Dieses im Kopf behaltend, gewann das Hörerlebnis der Gesamtkomposition die notwendige Tiefe, um das komplexe Werk in seinem Ablauf zu verfolgen. Auch hier wieder eine schöne Interpretation, die die Breite der Murskyschen Anschlagstechnik zur Geltung brachte. Wieder ein Publikum, das sich begeistert für das Hörerlebnis bedankte. Und ein Pianist, der mit Debussys „Claire de Lune“ sehr sensibel das Publikum auf den Heimweg in die Mondnacht schickte. Vielleicht aber auch ein Hinweis, dass in diesem Jahr 2018 Debussys 100. Todestag mit vielen Sonderkonzerten gedacht werden wird.
Dieses Neujahrskonzert im Rahmen von „Eichkamp Classics“ war auch ein Neujahrsempfang der Stiftung am Grunewald mit ehrenamtlicher Unterstützung von Bürgern der Siedlung Eichkamp. Der Vorsitzende der Stiftung, Wilfried Wohlfeld, eröffnete den Abend mit einer Begrüßung, bei der er einige Projekte vorstellte, die von der Stiftung am Grunewald gefördert werden und deren Vertreter*innen zumeist als Ehrengäste zum Konzert- und Empfangsabend gekommen waren. Wie es Aufgabe einer Stiftung ist, nicht nur finanziell Projekte zu fördern, sondern auch im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit auf deren Existenz, ihre Arbeit und ihre Ergebnisse aufmerksam zu machen, gab Wohlfeld grundlegende Informationen zu den von der Stiftung am Grunewald geförderten Organisationen und ihren speziellen Teilprojekten. Dazu gehören Bühnenkunstschule ACADEMY, Don-Bosco-Zentrum, Jona´s Haus, Leben im Großstadtdschungel, Mit allen Sinnen lernen – KinderkünsteZentrum, Patenschaften „Neuköllner Talente“ und Sägewerk Grunewald. Alles Projekte, die junge Menschen aus schwierigen Lebenslagen in Berliner Brennpunktgebieten so fördern, dass sich ihre Chancen auf bessere Entwicklungen nachhaltig verbessern. Diese soziokulturelle Arbeit den Eichkamper Nachbarn ins Bewusstsein zu rufen und für die Unterstützung der Projekte zu werben, war für den Neujahrsempfang ein guter Einstieg in das neue Jahr 2018. Zumal das Haus Eichkamp ja auch ein Projekt der Stiftung am Grunewald ist. Sich sozial zu engagieren und schöne Musik zu hören wurde noch abgerundet durch ein leckeres Buffet und viele Gespräche zwischen Menschen aus der Nachbarschaft und den geladenen Gästen aus der Politik, Presse und den genannten sozialen Organisationen.
Ewald Schürmann