Gospelboat Berlin im Haus Eichkamp

Und sie singen immer weiter und werden immer besser. Ja, Gospelboat Berlin entwickelt sich erfreulich gut, das wurde zum Beispiel deutlich beim stimmlichen Klang des Chores oder der Erweiterung des Repertoires. Auffallend zu hören war dies, wenn einige Male der Gesang auf ein Fortissimo zusteuerte. Eine ruhig gesteuerte Dynamik im Aufbau der immer lauter anschwellenden Stimmen bis zum Höhepunkt einer starken, klaren (und nicht schreienden) Tonstärke, die dann ganz massig im Raum stand, ohne zu schwanken. Das hatte Wirkung! Wobei natürlich die trockene Akustik im Eichkampsaal unterstützend wirkt, die keinen Echoeffekt oder sonstige Verzerrungen zulässt. Auch schafft die Nähe zwischen Chor und Publikum in dem relativ kleinen Konzertraum eine direkte Verbindung, wobei sich die Stimmung der Sängerinnen und Sänger sofort auf die begeisterten Zuhörer überträgt.
In der Programmgestaltung gab es gegenüber den Anfängen des Ensembles weniger die bekannten Ohrwürmer, die den Gospelgesang so populär gemacht haben. Zum rhythmischen Klatschen mit Hallelujah-Rufen bestand weniger Gelegenheit, dafür gab es viel feinen Gesang zu hören, freilich immer mit der für die Gospelstimmung typischen Intensität und Hingabe, aber manche Stücke waren doch neu und forderten zum genaueren Hinhören auf. Dabei war auch sinnvoll, vor den Stücken kurze Erläuterungen zu geben. Das Musizieren und Vermitteln von Musikwissen gehört ja inzwischen in Konzerten zum Programmablauf. Bei diesem Konzert wirkten die Zwischenkommentare knapp dosiert und wie im kurzweiligen Plauderton gesprochen.
Ein stimmliches Referenzstück von Gospelboat ist sicherlich „Thy will be down“, das in einer Wellenbewegung von auseinander und ineinander fließenden Stimmen intensiv gestaltet wurde. Dabei wurde klar herausgearbeitet, wie sich Frauen- und Männerstimmen in ihren Tonlagen unterscheiden und kurz eigene Wege gehen, um sich dann wieder in einem wunderbaren Gesamtton zu vereinen. Andere Songs brachten den Wechselgesang von Solostimmen und Chor. Die Soloeinlagen einzelner Frauen und Männer wurden dabei durch den Einsatz des Mikrophons unterstützt und brachten so noch eine besondere Intensität der Stimmen hervor, was auch dem jazzigen Charakter des Gospel eine tolle Wirkung verlieh.
Immerhin, zehn Stücke vor und zehn Stücke nach der Pause, da wurde ein reichhaltiges Programm gestemmt. Aber dem Chor war dies nicht als Kraftakt anzumerken, es wurde alles locker ohne stimmliche Ermüdung bewältigt. Anregend war die Mischung allemal, afrikanische christliche Folklore, geistliche Werke mit politischer Bedeutung vom Balkan, viele bekanntere Stücke aus der amerikanischen Gospeltradition, dann wieder fast experimentell ein Kyrie mit ausklingendem Sanctus bei russisch klingender Glockenrhythmik von Klavier und Schlagzeug bis schließlich zum Anspielen von Weihnachtsklassikern in einem Medley. Und natürlich, Rudolph mit der roten Nase durfte dann doch nicht fehlen. Das war dann schon fast eine Entspannung zum Ende für die Zuhörer, die noch einige Zugaben einforderten.
Ein stimmlich stabiler Chor, der sich so viel vornimmt und seine Ansprüche auch realisieren kann, braucht Unterstützung. Chorleiterin Olga Kisseleva, die in der Berliner Chorarbeit vernetzt ist und eine bedeutende Rolle auch bei anderen Ensembles und Workshops spielt, hat Gospelboat zu seiner Qualität mit gründlicher Arbeit entwickelt. Sie ist klar die Chefin und sicherlich auch Antreiberin (wobei der Chor über ein Mitbestimmungsmodell verfügt), jedenfalls ist ihr engagiertes Dirigat prägend beim ganzen Konzertverlauf. Alle Augen der Sängerinnen und Sänger sind auf sie gerichtet. Nicht nur im Hintergrund, sondern ganz entscheidend an der musikalischen Basis wirken der Schlagzeuger Peer-Olaf Kalis und der Pianist Herbert Götz . Beide sind routiniert jeder musikalischen Situation gewachsen und vermitteln eine stoische Ruhe, die jedem Stück guttut. Am Klavier passiert manchmal noch mehr, wenn der Pianist kleine Soloeinlagen wie bei einer jazzigen Improvisation einstreut, was dann zum Sonderapplaus führt und die Stimmung hebt.
Das Publikum im total ausverkauften Haus Eichkamp bestand einerseits aus den Fans des Chors – das ist ja im musikbegeisterten Berlin weit verbreitet, dass Laienorchester und -chöre ihr eigenes Stammpublikum haben. Auch viele Nachbarn waren gekommen, schließlich probt der Chor regelmäßig im Eichkamphaus und einige Chormitglieder kommen aus der näheren Umgebung.
Mehr über den Chor kann man im Internet erfahren, Infos auf der Homepage www.gospel-boat.de und diverse Konzertvideos finden sich bei YouTube.
Ewald Schürmann

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