von Ewald Schürmann
„Ish bin ein Bearleener“ stand handschriftlich im überlieferten maschinegetippten Manuskript „Remarks at the Berlin Rathaus“, das der amerikanische Präsident John F. Kennedy für seine Rede am 26. Juni 1963 auf dem Balkon des Schöneberger Rathauses in der Hand hielt. Das Zitat wurde Kult und die historische Rede in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen. Als der Präsident den deutschen Satz ausgesprochen hatte und die Menschen vor Begeisterung „Kennedy – Kennedy!“ riefen, unterbrach er seine Rede und bedankte sich, sichtlich bewegt, in Richtung seines Dolmetschers für die gelungene Transkription.
Wer war dieser Mann, der mit JFK noch kurz vor der Rede im Büro von Willy Brandt die richtige Aussprache des deutschen Satzes geübt hatte? Es war Robert H. Lochner, Schüler der Waldschule in den 1930er Jahren. 1918 in New York geboren, wuchs er zweisprachig auf, denn sein deutscher Großvater war 1854 in die USA ausgewandert. 1923 kam die Familie nach Berlin, wo der Vater Louis P. Lochner Chef der Nachrichtenagentur Associated Press wurde. Die Wahl der Schule fiel auf die „Höhere Waldschule Charlottenburg“ mit ihrem modernen Konzept von Koedukation, Ganztagsschule und Unterricht im Freien. Der junge Lochner war ein guter Schüler und schloss viele Freundschaften in der Siedlung Heerstraße. 1936 machte er Abitur, ging zum Studium in die USA und kehrte nach Kriegsende 1945 nach Berlin zurück.
Er dolmetschte für Lucius D. Clay, für die US-Präsidenten Lyndon B. Johnson und John F. Kennedy, war Leiter bei Voice of America und Direktor des Senders RIAS Berlin. 2003 starb Robert H. Lochner, sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof Dahlem. Der ehemalige Wald-
schüler gehörte ein Leben lang zum Freundeskreis der „Alt-Ehemaligen“, die jedes Jahr aus aller Welt nach Berlin reisten, um im St.-Michaels-Heim in Grunewald den legendären „Waldschul-Geist“ zu beschwören.
* Dieser Beitrag erschien im infoeichkamp Nr.1 von 2022